- Strecke Tag 1: Spinas – Alp Suvretta – Chamanna Jenatsch (4 1/2 h), Tag 2: Chamanna Jenatsch – Flanke Piz Traunter Ovas – Fuorcla Suvretta – Lej Suvretta – Champfèr (5 1/2h)
- Charakter: 2-tägige Hüttentour, der Hinweg idyllisch und einfach (T2), der Rückweg konditionell und technisch etwas anstrengend (bis T3+ oben auf der Fuorcla)
- Höhendifferenz Tag 1: ↑ ca. 900, Tag 2: ↑ ca. 500m, ↓ 1350
- Bahnstation: Spinas (auf der Strecke St. Moritz – Chur), Busstation: Champfèr Schulhaus (Engadinbus Linie 1, morgens und abends auch Postbus 4)
- Verpflegung: Gasthaus Spinas, Chamanna Jenatsch, div. Läden & Restaurants in Champfèr
Die Chamanna Jenatsch (oder Jenatschhütte) liegt auf 2652m. Sie ist die höchstgelegene SAC-Hütte in Graubünden, umgeben von schroffen Dreitausendern und einigen Gletscherresten. Umso erstaunlicher ist, dass es einen relativ bequemen Zustieg entlang des Flüsschens Beverin gibt, der bis auf 2400 nur ganz allmählich ansteigt (die restlichen 250m sind steiler). Damit ist die komfortable Hütte auch für relativ ungeübte Berggänger zugänglich. Wer mag, kann den gleichen Weg retour nehmen. Anspruchsvoller ist der Rückweg über die Fuorcla Suvretta (2966m), er braucht aber Können und Kondition. Dafür überschreitet man den breiten Talkessel des Beverin hin zur Suvretta von Samedan und St. Moritz, mit einem tollen Blick Richtung Piz Bernina.
Diese Wanderung beginnt in einem Tal, das man als Gast der Rhätischen Bahn gut kennt: In Spinas verlassen die hübschen roten Züge, die von Chur kommen, den Tunnel, und man sieht zum ersten Mal das Engadin. «Halt auf Verlangen!», heisst es; auf Knopfdruck stoppt der Zug. Hier ist kein Dorf, sondern nur das freundliche Gasthaus Spinas, Ziel und Anfang vieler schöner Wanderungen ins hintere oder vordere Val Bever.
Vor dem Aufbruch noch eines: Ihr werdet vielleicht Schlangen sehen. Das Val Bever ist bekannt dafür, dass hier eine grössere Population Kreuzottern lebt, deren Biss giftig ist. Allerdings gerät dabei sowenig Gift in die Blutlaufbahn, dass gesunde Menschen ohne weiteres überleben. Zudem sind die Schlangen sehr scheu und meist verschwunden, bevor es zu einer Begegnung kommt. Sonst einfach einen grösseren Bogen um das Tier machen. Ich musste auf der Tour ansehen, wie eine Gruppe Wanderer eine Kreuzotter getötet hat. Ohne Not. Bitte tut soetwas nicht. Sie sind als Art gefährdet und streng geschützt.
Der breite Wirtschaftsweg ins hintere Val Bever beginnt gleich hinter dem Gasthaus, folgt dem Flusslauf des Beverin und steigt nur ganz allmählich. Zunächst läuft man noch im Kiefern- und Lärchenwald mit hübschen kleinen Lichtungen. Später werden die Bäume seltener, das Tal breiter. Kurz vor der Alp Suvretta überquert eine stabile Brücke den Bach, wenige Schritte später erreicht man eine Kreuzung. Links geht es in das Tal hinter Piz Corviglia und Piz Nair, die Suvretta da Samedan (auch das ist eine schöne Tageswanderung, die weiter zum Lej Suvretta und wieder hinab nach Champfèr und St. Moritz führt).
Wir halten uns rechts Richtung Chamanna Jenatsch, überqueren nochmals den Flusslauf und finden uns endlich auf einem kleinen Wanderweg. Mit Blick auf den schroffen Piz Traunter Ovas (3151m) folgt man dem Tal. Hier stehen (oder sitzen) die letzten Kühe und noch nie habe ich soviele Murmeltiere gesehen. Bald ist der Talkessel zwischen den Dreitausendern erreicht und es fehlt noch der Aufstieg zu der Terrasse, auf der die Hütte liegt. Steil geht es die letzten 250 Höhenmeter hinauf. Umso glücklicher ist man, wenn endlich die Hüttenfahne auftaucht.
Vor der Hütte stand bis Sommer 2019 die Skulptur von Martina Kreitmeier, «Lebenswege». Die Figur, die sich vorsichtig von Stele zu Stele bewegt, fügte sich so schön in die Landschaft, dass ich hier noch ein Bild zeigen möchte.
Die grosse Terrasse der Hütte lädt zum Verweilen ein, Ende August verschwand die Sonne erst gegen 18h, genau passend zum Znacht. Wer will (und reserviert hat) kann bis 17h auch noch in die Sauna. Das ist im Winter vielleicht noch attraktiver. Ebenfalls ein Highlight: Die Verpflegung. Vom Frühstücksbrot über eine feine Auswahl zum Zmittag bis zum dreigängigen Znacht ist alles selbstgemacht.
Nach einem reichlichen Frühstück (6.30–7.30) geht es pünktlich zum Sonnenaufgang los, diesmal in einem weiten Bogen durch das Tal. Bei Punkt 2620 zweigt der Pfad Richtung Fuorcla d'Agnel & Julierpass ab, den lassen wir aber rechts liegen. Über mehrere kleine Brücken geht es in die Flanke des Piz Traunter Ovas, auf den wir gestern zugelaufen sind. Der Weg fällt und steigt ein wenig, und wieder öffnet sich ein riesiger Talkessel, gesäumt von fünf Dreitausendern und einigen Gletscherfeldern. Es sieht aus wie eine Mondlandschaft. Wo sollen wir hier durchkommen? habe ich mich gefragt.
Letztlich hangelt man sich von Markierung zu Markierung, der Weg erschliesst sich nicht unmittelbar. Er ist aber gut in die Landschaft gelegt, die Fuorcla Suvretta liegt doch weiter östlich als man zunächst erwartet. Beeindruckend sind auch all die Gesteinsfarben: leuchtendes Rostrot, helles Weiss, dazwischen Grau- und Schwarztöne. Sieht aus, wie gemalt. Richtig anstrengend wird es nochmals auf den letzten Metern: Steil, schroff, schotterig. Aber jetzt steht man (ohne Gipfel) auf fast 3000 Metern über dem Meer!
Auf der anderen Seite geht es dann ähnlich mühsam weiter, es ist aber dank der guten Markierungen machbar. Zweimal musste man etwas klettern – mit dem etwas schwereren Overnight-Rucksack nicht so lustig. Es ist aber nie gefährlich oder ausgesetzt (und der Rückweg wäre ab dieser Stelle ohnehin keine Option mehr). Also Augen auf und durch. Spätestens am Lej Suvretta kommt man wieder auf breit ausgetretene Wanderwege, die man sich dann allerdings wieder mit den Mountainbikern teilen muss.
Auch liegt der See noch auf 2602 Höhenmetern, Champfèr unten auf 1800. Der Abstieg von 800m durch die Suvretta da San Murezzan, wie das Tal heisst, ist aber ziemlich unterhaltsam. Es bietet verschiedene Perspektiven auf den Piz Güglia, einen riesigen Blockgletscher, der quer im Tal liegt, und einen schönen Arven- & Lärchenhain, bevor man unten ankommt. Wer mag, kann ab dem Lej Suvretta aber auch Richtung Bergstation der Corviglia- oder der Signalbahn gehen und Höhenmeter sparen. Oder spätestens bei der Alp Suvretta nach St. Moritz abbiegen. Einen Kaffee bekommt man aber auch im unaufgeregten Champfèr.