Hier werden kulturelle Institutionen des Bergells vorgestellt, d.h. bleibende Museen, Ateliers, Kirchen und andere Kulturräume. Die Reihenfolge will nicht gewichten, nennt aber die grossen öffentlichen Einrichtungen vor den kleineren privaten Ateliers.

Palazzo Castelmur, Stampa Coltura

Irritierende Fassade im Bergell: der Palazzo Castelmur
Irritierende Fassade im Bergell: der Palazzo Castelmur

Der Palazzo Castelmur ist eines der Wahrzeichen des Bergells und schon von aussen beeindruckend – die rostrote Fassade im «lombardisch / venezianischen Stil» (so die Website des Palazzo) setzt sich deutlich von anderen Gebäuden ab. Sie geht auf den Baron Giovanni von Castelmur zurück, der tatsächlich einer der ältesten Familien des Bergells entstammt, sein Geld aber als Kaufmann in Frankreich und seinen Adelstitel vermutlich ebenfalls dort käuflich erwirbt. Gleichwohl besinnt er sich auf seine Herkunft und bald ist er Eigentümer mehrerer Immobilien im Bergell, darunter auch ein altes Patrizierhaus der Familie Redolfi. Dieses lässt er ausbauen und mit einer neuen Fassade verzieren – voilà der Palazzo Castelmur.

Heute gehört er der Gemeinde und ist als Museum öffentlich zugänglich. Besichtigt werden können der Park, aber auch die historisch eingerichteten Zimmer – eine spektakuläre Mischung aus Ritterherrlichkeit, Plüsch & Pomp. Hier scheint nichts echt, alles eher Schein als Sein, bis hin zu den vielfachen Trompe-l'oeil-Malereien an den Decken und auch im Garten. Interessant sind auch Details: Welche Bücher im Regal stehen, welche Zeitschriften abonniert wurden.

Im obersten Stockwerk ist zudem eine Ausstellung über die Geschichte der Zuckerbäcker-Migration aus dem Bergell untergebracht – sie reichte bis an die Grenzen von Europa und darüber hinaus. Hier kann man beispielsweise erfahren, dass das berühmte Café Josty in Berlin (das man aus Erich Kästners Emil und die Detektive kennt) von Migranten aus Sils Maria gegründet wurde. Ebenfalls untergebracht ist im Palazzo das Historische Archiv des Bergells, das von der Società culturale di Bregaglia gepflegt wird und auch online zur Verfügung steht: viele Fotografien beispielsweise sind digitalisiert und es macht Spass, sie zu betrachten!

  • Info: http://www.palazzo-castelmur.ch, +41 (0)81 8221554
  • Öffnungszeiten: im Winter geschlossen, 1.6.–20.10.: 14–17 h, 15.7.–31.8.: 11–17 h, Montag geschlossen.

Ciäsa Granda, Stampa

Dorfmuseum Chiäsa Granda, rechts daneben das Geburtshaus von Augusto Giacometti

Früher schlicht Talmuseum, heute unter dem Label Ethnografisches Museum, vereint auch die Ciäsa Granda mehrere Sammlungen und Aspekte. Sie gehört heute der Società culturale di Bregaglia und wird von engagierten Mitgliedern gepflegt. In einem alten Patrizierhaus untergebracht, kann man sowohl aussen wie innen die lokale Architektur bestaunen, ergänzt werden diese durch Räume und Dioramen, in denen die regionale Handwerkskunst (Patisserie, Weberei, Schmiede, Steinmetze u.a.) erläutert wird.

Damit nicht genug, in den oberen Stockwerken sind naturwissenschaftliche Sammlungen zu bestaunen: Einerseits ein sehr spannend aufbereitetes geologische Archiv, das die Steine ihren Fundstellen zuordnet; andererseits eine bunte Sammlung ausgestopfter Tiere, vom Bär bis zum Mäuslein, vom Adler bis zur Gans.

Im Untergeschoss schliesslich gibt es noch eine kleine Sammlung der im Bergell entstandenen Kunst der Giacometti-Familie, aber auch von Varlin zu sehen – tatsächlich gehören heute die meisten Stücke privaten Stiftungen ausserhalb des Bergells (wie der Alberto-Giacometti-Stiftung) und sind beispielsweise im Zürcher Kunsthaus zu bewundern. Umso schöner, dass einige wenige Leihgaben den Weg zurück ins Tal gefunden haben.

  • Info: www.ciaesagranda.ch, +41 (0)81 822 1716
  • Öffnungszeiten: 01.06.–19.10. von 14–17h, 15.07.–31.08. von 11-17h, Dienstag geschlossen.

Villa Garbald

Die Villa Garbald ist, so wie sie heute in Castasegna steht, das Ergebnis mehrerer glücklicher Fügungen: 1864 liess sich der Zollinspektor Agostino Garbald, der mit der Schriftstellerin Johanna Gredig verheiratet war (die unter dem Namen Silvia Andrea schrieb, vgl. meine Literaturseiten), von dem Architekten Gottfried Semper eine Villa entwerfen. Der lieferte Zeichnungen, die einen toskanischen Stil mit klassizistischen Elementen verbanden, das Resultat war ein Haus, das im Bergell einmalig ist. Von der Strasse durch eine erhöhte Terrasse mit Pergola getrennt, hebt sie sich durch zarte Rosétöne und eine leichte Formsprache von den gedrungenen Engadinerhäusern und massiven klassizistischen Bauten ab.

Fast aber wäre sie verfallen, hätte nicht der letzte Eigentümer, der Fotograf Andrea Garbald, sein Erbe einer Stiftung vermacht. Sie wurde schon 1961 gegründet, fand aber erst Mitte der 1990er Jahre zu neuem Leben, als per Zufall der Fotograf Hans Danuser im Haus eine Wohnung mietete. Auf dem Dachboden waren Fotografien, Glasnegative und vieles mehr gelagert. Er sicherte dieses Erbe und setzte sich für eine Wiederbelebung der Stiftung ein. Die ETH Zürich (wo Semper gelehrt hatte) wurde ein neuer Partner, die Villa sorgfältig renoviert und mit einem modernen Anbau von Miller/Maranta versehen.

Heute ist sie ein «Denklabor» und Seminarzentrum, das von Gruppen für Retraiten und Tagungen gemietet werden kann. Für einen besonderen Geist im Haus sorgt die Betriebsleitung unter Arnout Houstens und Siska Willaert, die nicht nur Haus und Garten mit Verstand pflegen, sondern immer wieder Veranstaltungen auch für die Öffentlichkeit planen. Zu besichtigen ist die Villa jeweils einmal die Woche (mit Voranmeldung), die Führung ist so ausführlich wie sachkundig.

  • Busstation: Castasegna Vecchia Dogana
  • Verpflegung: Garni Restaurant Post, Cafè Pasticceria Salis, Alimentari Rosanna

Atelier Segantini

Heute wirkt es wie ein seltsames Anhängsel, dieses kleine runde Gebäude auf der Rückseite des Kuoni-Chalets. Der Künstler Giovanni Segantini liess es 1897 errichten, zunächst sogar in Soglio, wo er im Winter zu malen pflegte. Gedacht war es als Miniatur-Modell für das Alpenpanorama, das Segantini für die Weltausstellung 1900 in Paris plante (und das er aus finanziellen Gründen nicht realisieren konnte). Entsprechend hat der Raum keine Seitenfenster, sondern Oberlichter.

Genutzt hat es Segantini danach offenbar eher als Bibliothek, denn seine Bilder malte er in der Regel in der freien Natur. Heute kann man dort einige Fotos, Briefe andere Dokumente anschauen. Zudem gibt es jeweils eine kleine Wechselausstellung; derzeit wird der Austausch zwischen Giovanni und seinem Sohn Gottardo beleuchtet (der selbst malte, aber auch zahlreiche Bücher über seinen Vater veröffentlichte). Wer allerdings die grosse Kunst sehen will, der muss ins Segantini-Museum nach St. Moritz, das nur wenige Jahre nach dem Tod des Malers entstand und in seiner Form ebenfalls das geplante Panorama aufnimmt.

  • Info: www.segantini.org, +41 (0)81 824 33 54
  • Öffnungszeiten: Sa & So 16-18h oder auf individuelle Anmeldung
  • Busstationen: Maloja Posta
  • Verpflegung: div. Restaurants und Lebensmittelgeschäfte in Maloja